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Herr Coucheman, Sie wohnen in Wetzikon und arbeiten in der Stadt Zürich. Kennen Sie das Limmattal?
Ich kenne das Limmattal recht gut. Meine Partnerin wuchs in Dietikon auf und ging dort zur Schule. Ich war früher regelmässig vor Ort.

Waren Sie schon mit dem Rad im Limmattal unterwegs?
Das eine oder andere Mal. Gewisse Touren rund um Dietikon habe ich in guter Erinnerung.

Radfahren ist praktisch. Wird es durch eine Veloschnellroute noch praktischer?
Auf jeden Fall. Die Attraktivität des Velofahrens hängt direkt von der Infrastruktur ab. Ohne gut befahrbare Strassen nützt auch das beste Velo wenig. Die Veloschnellroute ist ein hochwertiger Veloweg. Sie ist vom restlichen Strassenverkehr getrennt. Auch die Fussgänger werden separat geführt. Die Veloschnellroute führt direkt von einem Ort zum anderen und weist im Idealfall keine Unterbrüche auf.

Man kommt also zügig voran.
Ein Velofahrer möchte möglichst ohne Stopps und mit gleichbleibender Geschwindigkeit sein Ziel erreichen. So spart er Zeit und Kraft. Er muss weniger bremsen und nicht zigmal anfahren. Er kann auf der Veloschnellroute durchfahren. Er hat immer Vortritt.

Das klingt paradiesisch.
Absolut. Eine Veloschnellroute erhöht zudem die Zuverlässigkeit, was die Fahrzeit betrifft. Eine Velopendlerin weiss genau, wie lange sie für eine bestimmte Strecke auf der Veloschnellroute benötigt. Staus, Unfälle oder Umleitungen wie auf üblichen Strassen beeinflussen ihre Fahrzeit nicht, weil es solche Einschränkungen nicht gibt. Sie erreicht pünktlich ihren Arbeitsplatz und ist rechtzeitig wieder zu Hause.

Wo lohnt sich der Bau einer Veloschnellroute?
Dort, wo die Nachfrage oder das Potenzial an Veloverkehr gross ist. Die Verlagerung des Pendlerverkehrs von Strasse und Schiene auf das Velo bringt dort klare Vorteile: Es gibt weniger Staus auf der Strasse. Die Busse und Züge sind in den Spitzenzeiten weniger stark belegt. Und weniger Autoverkehr heisst weniger Lärm, weniger Unfälle und bessere Luft. Das hebt die Lebensqualität aller.

Wie geschaffen für das Limmattal.
Darum hat der Kanton Zürich das Projekt «Veloschnellroute Limmattal» in Angriff genommen. Die flache Topografie des Limmattals, das Bevölkerungswachstum, die vielen Arbeitsplätze und Schulen, das grosse Pendleraufkommen – das alles sind Aspekte, die den Bau einer Veloschnellroute geradezu verlangen, zumal die zurückzulegende Strecke mit 12 Kilometern (Strecke: Kantonsgrenze ZH/AG bis Zürich HB) ideal für eine Veloschnellroute ist.

Können Sie das Potenzial an Veloverkehr umreissen?
An einem durchschnittlichen Werktag werden im Zürcher Limmattal knapp 279 000 Wege unter 15 Kilometern zurückgelegt. Davon entfallen 75 Prozent auf den motorisierten Individualverkehr, nur 8 Prozent auf das Velo. Zwischen der Stadt Zürich und dem Zürcher Limmattal zählen wir 100 000 Fahrten pro Tag, die Mehrzahl davon sind Auto- und ÖV-Fahrten. Für den Veloverkehr ist folglich noch sehr viel möglich. Das Potenzial ist gross.

Für das Pilotprojekt der Veloschnellroute (Strecke: Schlieren bis Dietikon) wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Sie zeigt: Die Veloschnellroute ist wirtschaftlich sinnvoll. Waren Sie vom Ergebnis überrascht?
Wir waren stets überzeugt, dass sich die Veloschnellroute rechnet. Was uns überrascht hat, ist die Deutlichkeit des Ergebnisses. Auch wenn keine Autorfahrerin und kein ÖV-Pendler auf das Velo umsteigen, rechnet sich die Veloschnellroute im Limmattal.

Sofern der bestehende Veloverkehr die Veloschnellroute nutzt.
Korrekt. Dieser Stammverkehr wird die raschere Verbindung begrüssen. Wie gesagt: Man ist schneller und sicherer am Ziel. Damit gibt es auf den anderen Strassen weniger Veloverkehr. Diese Entflechtung wirkt sich für alle Verkehrsteilnehmer positiv aus.

Wie sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis konkret aus?
Für jeden investierten Franken erhalten wir sechs Franken zurück. Das entspricht einem Verhältnis von 1 zu 6. Steigen zusätzlich Personen auf das Velo um, wird das Ergebnis logischerweise besser. In der Analyse haben wir vier Szenarien durchgerechnet, allesamt mit positivem Ergebnis. Das beste Verhältnis liegt bei 1 zu 27. Die Analyse ist für den Veloverkehr übrigens die erste ihrer Art in der Schweiz.

Wie kommt es zu diesem erfreulichen Ergebnis?
Die Baukosten fallen gering aus. Die Veloschnellroute führt teilweise über die bestehende Infrastruktur. Einige Ausbauten können ausserdem mit geplanten Strassenbauprojekten kombiniert werden. Aufgrund der Bündelung des Veloverkehrs passieren weniger Unfälle, womit die Unfallkosten für Velofahrer sinken. Und, wie erwähnt, die Reisezeit reduziert sich. Diese Zeiteinsparung fliesst als Geldbetrag in die Rechnung mit ein. Ferner überwiegen die gesundheitlichen Aspekte.

Wieso führt die Bündelung zu weniger Unfällen?
Das Velo ist das schwächste Element im Strassenverkehr. Jeder Velofahrer weiss, wie gefährlich es ist, neben grossen Autos oder Lastwagen zu fahren. Der Platz für das Velo ist vergleichsweise klein. Auf der Veloschnellroute fahren Velofahrer dagegen unter sich. Es gibt keine Zwischenfälle mit motorisierten Fahrzeugen. Die Route ist so ausgelegt, dass potenzielle Gefahrenstellen wegfallen. Selbstunfälle sind seltener. Die Unfallhäufigkeit und die Unfallschwere sinken.

Wie schnell fährt man auf der Veloschnellroute?
Wir rechnen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h. Es wird schnellere und langsamere Velofahrer geben. Platz ist genug vorgesehen.

Welche Bedeutung hat die Veloschnellroute Limmattal für den Kanton Zürich?
Wir betrachten die Veloschnellroute als Leuchtturmprojekt. Das Projekt steht exemplarisch für die Veloförderung des Kantons Zürich. Darüber hinaus ist die Veloschnellroute ein Vorzeigeprojekt für das Limmattal.

Wann wird die Veloschnellroute Limmattal Realität sein?
Wenn alles planmässig läuft, beginnt die Umsetzung in vier bis sechs Jahren. Ich freue mich sehr darauf.

Das Limmattal endet nicht an der Kantonsgrenze. Im Idealfall führt die Veloschnellroute weiter in den Kanton Aargau. Stehen Sie mit Ihren Kolleginnen in Aarau in Kontakt?
Wir tauschen uns aus, ja. Es wäre eine Riesensache, wenn die Idee einer Veloschnellroute auch im Kanton Aargau aufgenommen würde*. Der Velosache wäre damit enorm gedient – nicht nur im Limmattal, sondern auch schweizweit. Das gäbe wichtige Impulse für das Velofahren.

Schlussfrage: Stimmt es, dass Sie zuweilen mit dem BMX-Rad unterwegs sind?
Das stimmt. Mein Sohn und ich haben das BMX-Velo für uns entdeckt. Es ist unser neues Vater-Sohn-Projekt. Es macht riesig Spass und steigert die Fahrfähigkeit.

6. Juli 2018

 

* Der Kanton Aargau arbeitet an einem entsprechenden Variantenstudium.