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Dass eine Halbinsel zu Wettingen gehört, verrät ein Blick auf die Landkarte. Sie liegt am südwestlichen Rand der Gemeinde und wird von der Limmat sozusagen umarmt. Das Kloster thront über dem Fluss, der hier friedlich in Richtung Baden fliesst. Im Kloster – es wurde 1227 gegründet – lebten Mönche des Zisterzienserordens. Deren Dasein kreiste um Arbeit und Gebet, die eigene Klosterschule vermittelte das geistige Wissen und die Regeln ihres Alltags.

1841 beschloss der Kanton Aargau, das Kloster zu schliessen, worauf die Mönche Wettingen verlassen mussten. Von 1847 bis 1976 wurde das Kloster als Lehrerseminar genutzt. Seither ist die Kantonsschule Wettingen darin untergebracht.

Zum Kloster gehören neben der Klosterkirche mehrere Nebengebäude, ein Park und ein Garten. Auf der Halbinsel befindet sich auch die ehemalige Baumwollspinnerei Wettingen. Das alte Spinnereigebäude bietet heute Raum für Gewerbe und Ateliers. Die Halbinsel überrascht mit dem ältesten Gasthaus der Schweiz, dem Gasthof Sternen, und die «Gwagglibrugg», eine der frühesten Drahtseilbrücken hierzulande, begeistert nicht allein wegen ihrer Bauweise. Sie zu überqueren, ist ein «schwankendes» Erlebnis.

Das sind Gründe genug, ein Museum auf der Klosterhalbinsel einzurichten. Seit April 2022 ist dies nun Realität: Die Klosterhalbinsel Wettingen ist der zehnte Standort des Museums Aargau. Ein neues kulturelles Highlight mitten im Limmattal.

Ein Museum anderer Art
Das Museum Aargau präsentiert sich als Verbund historischer Schauplätze des Kantons – ein Museum nicht an einem Ort, sondern an unterschiedlichen Orten. Das Schloss Lenzburg gehört dazu, ebenso der Legionärspfad Vindonissa, das Schloss Wildegg oder das virtuelle Museum Aabach. «Museum Aargau steht für 2000 Jahre Geschichte», sagt dessen Direktor Marco Castellaneta. «Bei uns steht das Erlebnis von Geschichte vor Ort im Zentrum. Wir zeigen Aargauer Geschichte, die die Schweiz mitgeprägt hat. Und mit der Klosterhalbinsel Wettingen sind wir jetzt auch im östlichen Teil des Kantons vertreten.»

Am neuen Museumsstandort in Wettingen rücken Bildungsgeschichte und natürlich Klostergeschichte nach vorn. Es sei ein Glück, so Castellaneta, dass die Kantonsschule die jahrhundertealte Bildungstradition fortführe, die für die Klosterhalbinsel bezeichnend sei.

Passend dazu wurde vom Museum Aargau die Initiative «SCHULE MACHT MUSEUM» ins Leben gerufen. Die Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule wirkten aktiv an der Entstehung des neuen Museums mit. Fortan sind sie auch in dessen Betrieb eingebunden.

Inhaltlich steht der Themenkreis «Glaube, Macht, Wissen» im Mittelpunkt. Dies hänge mit der Geschichte des Ortes zusammen, erklärt Thomas Rorato, der das Vermittlungs- und Betriebskonzept ausgearbeitet hat. «Das Kloster hat eine lange und wechselvolle Geschichte als Ort des Glaubens, der Macht und des Wissens hinter sich. Das Angebot widerspiegelt die Perspektive der Schülerinnen und Schüler darauf. Bei der Erarbeitung der Inhalte haben sie Anknüpfungspunkte zu ihrem Alltag gesucht und gefunden, womit spannende Bezüge zur Gegenwart entstanden sind.»

Fülle an grossen Fragen
Was das heisst, erfahren Museumsbesuchende an verschiedenen Stationen innerhalb und ausserhalb des Klosters. Im Innenbereich werden ein Audiowalk, Filminstallationen und Dialogräume geboten. Im Parlatorium, dem grössten aller Museumsräume, erlebt man die Schülerinnen und Schüler als Gastgebende. Sie nehmen einen in Empfang und fragen nach dem persönlichen Verhältnis zu Glaube, Macht und Wissen. Zugleich verraten sie ihre eigenen Sichtweisen darauf oder stellen persönliche Verbindungen dazu her. Auf diese Weise entsteht ein Dialog, der die Breite und Tiefe des Themenkreises in einem intimen Rahmen verdeutlicht und dessen Bedeutung herausarbeitet.

Im Aussenbereich des Klosters findet neben anderem eine Rätseltour statt und Spazierwege laden dazu ein, die kulturellen Schätze der Halbinsel zu entdecken. «Bei der Rätseltour geht es um das Kloster als Ort des Wissens und des Glaubens im Zeitalter der Aufklärung», beschreibt Rorato. «Die Rätseltour ist ein Spiel für Familien und Schulklassen und führt über das ganze Klostergelände. Es macht mit den vielfältigen Facetten der Klostergeschichte bekannt.»

«Die Museumsbesuchenden werden immer wieder mit Fragen konfrontiert», so der Ausstellungskurator weiter. «Seit Menschengedenken versuchen Menschen Antworten auf Fragen zu Glaube, Macht und Wissen zu finden. Auf der Klosterhalbinsel waren es einst die Mönche im Mittelalter, dann die angehenden Lehrkräfte im Lehrerseminar und heute die Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule.»

Beim Besuch des Museums lernt man mögliche Antworten auf solche Fragen kennen. Besuchende werden zudem in die Lage versetzt, sich selbst damit zu befassen. Sie können Fragen kommentieren oder selbst neue Fragen formulieren. «Der Versuch des Menschen, Antworten zu finden, zieht sich wie ein roter Faden durch die erzählerischen Zugänge zum Thema. Das ist die Kernidee unseres Vermittlungsangebots», fasst Rorato zusammen.

15 000 Besuchende jährlich
Natürlich besteht auch die Möglichkeit, die Klosterhalbinsel zu entdecken, ohne das Museumsangebot zu nutzen. Dafür eignet sich ein Museumsplan, der eigens dafür zusammengestellt wurde. Die verschiedenen Gebäude und Örtlichkeiten lassen sich so im Kontext ihrer historischen Bedeutung erkunden.

Gleich am Eingang der Klosterhalbinsel befindet sich das Gästezentrum des Museums. Es dient als Informations- und Anlaufstelle und umfasst einen Empfangsschalter, Toiletten, Garderobe und einen kleinen Shop. Von hier aus kann die Entdeckung der Halbinsel beginnen. Alles, was dafür nötig ist, erhält man am Schalter, zum Beispiel Infobroschüren, Hilfsmittel für die Audioguides – und natürlichen den Führer für die freie Erkundung der Halbinsel.

Das Museum ist täglich geöffnet, ausser montags. Wie bei anderen Standorten des Museums Aargau wurde darauf verzichtet, das Museum ganzjährig zu betreiben. Es ist von Anfang April bis Ende Oktober zugänglich. Die Verantwortlichen rechnen mit jährlich rund 15 000 Besuchenden aus der Schweiz und dem nahen Ausland. Der Eintrittspreis beläuft sich auf 14 Franken für Erwachsene, ein Familienticket kostet 25 bis 35 Franken.

Praxis statt Theorie
«Die Klosterhalbinsel Wettingen soll weit über die kantonale Grenze ausstrahlen. Das ist unser Ziel und darauf haben wir hingearbeitet», stellt Marco Castellaneta klar. «Damit werden auch Wettingen als Gemeinde und das Limmattal wahrgenommen. Ich kann nicht oft genug betonen: Die Klosterhalbinsel ist ein wahrer Kraftort an der Limmat. Ein Ort, an dem Kultur und Geschichte zu einem Erlebnis werden.»

Diese Aussagen werden die Verantwortlichen in Wettingen und im Limmattal freuen. Roland Kuster, Gemeindeammann von Wettingen, unterstrich schon vor Jahren, dass die Klosterhalbinsel massgeblich dazu beitragen könne, Wettingen zu positionieren. Gerade auch im Hinblick auf das Jahr 2027. Dann feiert das Kloster Wettingen sein 800-jähriges Bestehen.

Die Eröffnung des Museums stellt auch für «SCHULE MACHT MUSEUM» einen Meilenstein dar. Die Mitwirkung der Schülerschaft erforderte viel Planung und Koordination. Schulleitung und Lehrerschaft waren herausgefordert. Es wurden etliche Workshops durchgeführt und Arbeitswochen angesetzt, notabene neben dem üblichen Schulalltag.

Und Planung und Koordination gehen unverändert weiter. Die Mitarbeit der Schülerinnen und Schüler bleibt, wie erwähnt, ein wesentliches Element des neuen Museums. Anderseits können sie eine Kompetenz dabei einüben, die im Schulbetrieb tendenziell zu kurz kommt, nämlich Praxishandeln. Oder anders gesagt: Für einmal erarbeiten sie sich nicht Theorie-, sondern Praxiswissen. Ein schätzenswerter Umstand mit vortrefflichen Folgen für ihre Bildung.