Projektstory
Warmes Glitzern
Kathrin Doppler und Sophia Berdelis setzen sich für das Limmattal ein. Jetzt haben sie gemeinsame Sache gemacht. Und das Ergebnis wärmt, leuchtet und inspiriert.
Das Badener Thermalwasser kommt aus tiefster Dunkelheit. Es überwindet mehr als 1000 Meter, bevor es auf Licht trifft. In der Natur sind Wasser und Licht oft untrennbar verbunden. Und beim Menschen? Auch er verknüpft die zwei Elemente, Werke aus Kunst und Architektur beweisen das wieder und wieder.
Kathrin Doppler liebt die Kunst und als Kuratorin arbeitet sie an ihrer Vermittlung. Angetan ist sie auch vom Badener Thermalwasser. Wenn sie darüber spricht, ist ihre Begeisterung spürbar. «Das Thermalwasser ist ein Geschenk der Natur und es ist eine Ressource für alle», sagt sie. «Deshalb engagiere ich mich für den freien Zugang zum Thermalwasser. Das ist eine Herzensangelegenheit.»
Die quirlige Aargauerin ist nicht nur Vorstandsmitglied des Vereins «Bagno Popolare», sie ist ebenso in der «Genossenschaft Liegenschaft Bad zum Raben» aktiv. Jüngstes Ergebnis dieses Engagements ist die Ausstellung «Belebung heilender Orte», die aktuell im «Bad zum Raben» zu sehen – oder genauer – zu erleben ist. Doppler hat die Ausstellung mitgestaltet.
Eintauchen in Bäderkulturen
Die Ausstellung wirft einen Blick auf die vergangene Bäderkultur in Italien, Griechenland und der Schweiz. Präsentiert werden unter anderem Arbeiten von Studierenden der Architektur und Kunst, die sich mit einzelnen Heilbädern auf Sizilien und in Griechenland beschäftigt haben. Dabei stand die Frage nach deren Wiederbelebung im Zentrum. «Daraus sind originelle künstlerische Arbeiten entstanden, die im ‹Bad zum Raben› eindrücklich zur Geltung kommen», erläutert Doppler.
Und in der Tat: Das «Bad zum Raben» ist selbst ein Heilbad mit Geschichte und rahmt die Ausstellung wunderbar ein. Das Thermalbad befindet sich im Soussol des «Schweizerhofs» direkt am Kurplatz und blieb lange Zeit geschlossen. «Wir dürfen das Bad ‹zwischennutzen› und organisieren regelmässig Ausstellungen, Lesungen und Konzerte darin.» Das Besondere daran: Das Publikum besucht nicht nur eine Kulturveranstaltung, es kann zugleich ins Thermalwasser steigen, das mit einer Temperatur von 42 bis 48 Grad Celsius als eines der wärmsten und mineralreichsten schweizweit gilt.
«Das ist ein besonderes Erlebnis und macht den speziellen Charme unserer Veranstaltungen aus», so Doppler. «Entspannung, Beisammensein und Anregung finden ideal zusammen. Andererseits wird die Wichtigkeit der Thermalbäder für Baden und die Region unmittelbar fassbar.»
An der Ausstellung «Belebung heilender Orte» hat auch Sophia Berdelis mitgewirkt. Die grosse Leidenschaft der Zürcher Architektin und Künstlerin ist das Licht. Im Rahmen der Ausstellung bestand ihre Kernaufgabe darin, die Innenräume des Bads mit Licht zu inszenieren und die Arbeiten der Studierenden in das einmalige Ambiente des «Bad zum Raben» einzubetten. «Mir war auch wichtig, das Thermalwasser selbst in Szene zu setzen. Mit Projektoren bringe ich das Wasser zum Glitzern und Schimmern, was einen besonderen Effekt hervorruft und für das Lebendige und Dynamische des Wassers steht», sagt die Lichtkünstlerin.
«Mir lag auch viel daran, den Innenraum mit dem Aussenbereich zu verbinden. Die Quelle des Thermalbads liegt unter dem ‹Grossen Heissen Stein› auf dem Kurplatz. Mit einer Lichtinstallation führe ich die Besucherinnen und Besucher von dort hinein ins Bad. Damit symbolisiere ich den Gang des warmen Wassers.»
Hell erleuchtet oder tieffinster?
Sophia Berdelis ist für die Regionale 2025 keine Unbekannte: Sie ist Kopf und Seele des Projekts «Promenades Lumières», das 2025 an der grossen Projektschau präsentiert wird. Das Ziel von «Promenades Lumières» lautet: die Bedeutung des Lichts und der Nacht im öffentlichen Raum erlebbar zu machen – und dafür zu sensibilisieren.
Das Limmattal ist nachts mehrheitlich hell erleuchtet, was in den Augen von Berdelis nicht nötig wäre. Sie sagt: «An vielen Orten wäre weniger Licht ein Mehrwert.» Der Grund: «Ein Plus an Beleuchtung bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit oder mehr Komfort. Im Kern geht es darum, jede Beleuchtung passgenau einzusetzen.» Und das heisst: nur so viel Beleuchtung wie nötig.
Doch wie macht man die Bedeutung des Lichts und der Nacht erfahrbar? «Ich lade im Herbst und Winter zu nächtlichen Spaziergängen ein. Etwa in Dietikon, wo ich die Teilnehmenden auf die Wirkung des künstlichen Lichts vor Ort aufmerksam mache. Diese Spaziergänge dauern anderthalb Stunden. Zu Beginn sind sich die Teilnehmenden nicht wirklich bewusst, wie das Licht auf sie und die Umgebung einwirkt. Sie sind so an die Beleuchtung gewöhnt, dass sie sich kaum Gedanken darüber machen.» Am Ende des Spaziergangs ist das Erstaunen dagegen gross: «Viele Menschen realisieren zum ersten Mal, wie viel Licht überhaupt da ist, selbst an Orten, wo es gar nicht hingehört. Und nicht selten sind sie regelrecht erstaunt darüber», so Berdelis.
Mit ihren Spaziergängen will die Lichtkünstlerin ein Nachdenken über das Licht in Gang setzen: «Das berührt auch das Privatleben. Sucht man eine Leuchte für den eigenen Hauseingang oder das verglaste Treppenhaus wäre es angebracht, sich vorgängig einige Gedanken darüber zu machen. Was muss das Licht ausleuchten? Wie hell muss es sein? Wie wirkt die Beleuchtung von weiter weg? Blendet es? Entlang solcher Fragen wird das Thema Licht konkret. Die eine oder andere Antwort kann hinterher die Basis für die Wahl der Leuchte bilden.»
Und gibt es einen allgemein gültigen Tipp? «Nach Möglichkeit immer eine dimmbare Leuchte auswählen. Auf diese Weise kann das Licht flexibel eingestellt werden. Man sollte ausserdem auf den Einsatz von Leuchten in warmweisser bis bernsteinfarbener Lichtfarbe achten, das heisst mit möglichst ‹warmer› Farbe. Für die Nachtstunden ist das besser als grelles ‹Kaltweiss›.»
Rückhalt stärkt Motivation
Sophia Berdelis setzt «Promenades Lumières» mehrheitlich ohne ein Mitwirken anderer um. «Sporadisch erhalte ich Unterstützung. Das sind vor allem die Lichtdesignerin Kaori Kuwabara und der Lichtplaner Roland Bodenmann. Sie stellen mir ihre fachliche Expertise zur Verfügung. Aber grossmehrheitlich mache ich alles allein und bleibe dadurch flexibel.»
Berdelis tritt damit den Beweis an, dass wegweisende Ideen auch von Einzelpersonen realisiert werden können. Vorausgesetzt, «man brennt für die Idee und setzt alles in Bewegung, damit sie Form annimmt. Ja, und Zeit und Ausdauer braucht es dafür natürlich auch», so die Lichtkünstlerin.
«Promenades Lumières» konkretisierte sich, als Berdelis von der Regionale 2025 erfuhr. «Mir war sofort klar, dass dies die grosse Chance für meine Idee ist. Und das war tatsächlich so. Ich habe enorm von der Regionale 2025 profitiert: Ich erhielt ‹Power›, Motivation und Zuspruch. Das Team der Regionale 2025 stärkte mir den Rücken. Und diesen Rückhalt benötigte ich, gerade anfangs, als die Zweifel noch gross waren. Würde ich wirklich alles allein stemmen können? Das fragte ich mich unentwegt.»
Was gleichermassen zentral war, ist das Netzwerk: «Ich konnte mir ein Netzwerk aufbauen, das ohne Regionale 2025 nie entstanden wäre. Insbesondere die Kontakte zur Verwaltung der Gemeinden und Städte waren und sind extrem wichtig für mich. Aktuell zum Beispiel stehe ich im Austausch mit der Gemeinde Oetwil an der Limmat. Bald werde ich dort einen neuen Nachtspaziergang anbieten. Der Kontakt dorthin wurde mir von der Regionale 2025 vermittelt.»
Ideen schaffen Perspektiven
Über dieses Netzwerk kam auch der Kontakt zu Kathrin Doppler zustande. Denn auch das Projekt «Bad zum Raben» ist Teil der Regionale 2025. «Wir haben rasch zusammengefunden und konnten uns eine Zusammenarbeit vorstellen», sagt Berdelis dazu. Kathrin Doppler sieht es ähnlich: «Die Zusammenarbeit mit Sophia ergab sich quasi automatisch. Sie hatte grosse Lust, uns bei der Ausstellung zu unterstützen und tatkräftig anzupacken. Ihr Engagement und ihr Interesse waren riesig. Das spürt man übrigens, wenn man ihre Lichtarbeit im Bad erlebt.»
Sophia Berdelis lud Anfang Dezember zu einem speziellen nächtlichen Spaziergang ein: Er führte vom Bahnhof Baden über den Kurplatz hinunter zum «Bad zum Raben». «Promenades Lumières» wurde somit zu einem Teil von «Bad zum Raben». Berdelis und Doppler belegen damit, dass sich Ideen verzahnen lassen. Diese Ideen bringen Menschen zusammen, sie eröffnen der Gesellschaft andere Perspektiven und erschliessen neue Wege, das Limmattal als vielseitigen Lebensort zu erfahren.
Doch zurück zur Ausstellung: Am 21. November 2024 fand die Finissage des ersten Teils von «Belebung heilender Orte» statt. «Das Interesse an der Ausstellung war gross», resümiert Kathrin Doppler. «Wir durften ein breites Publikum ansprechen. Es zeigte sich, dass viele Personen das Heilbaden samt Kultur für sich entdecken wollen.»
Der zweite Ausstellungszyklus wurde Ende November eröffnet und dauert bis zum 25. Januar 2025. Dann endet die Phase der Zwischennutzung des Thermalbads. Es wird anschliessend für die definitive Nutzung als frei zugängliches Kultur- und Gesellschaftsbad umgebaut. Kathrin Doppler dazu: «Das Baugesuch steht inzwischen. Aktuell arbeiten wir daran, die Finanzierung von vier Millionen Franken zu sichern. Wenn alles rundläuft, kann das Bad Ende 2027 seine Türen öffnen.»
Bis dahin dauert es etwas. Fest steht: Das «Bad zum Raben» wird die Stadt Baden als Bäderkulturort aufwerten und einen Ort für Begegnung, Entspannung und Lebensfreude darstellen. Insofern ist es ein Glück, dass das Thermalwasser noch für eine Weile aus tiefster Dunkelheit hinaufsteigt ans Licht. Wir profitieren alle davon.
Zwei Projekte
Das «Bad zum Raben» in Baden ist geschichtsträchtig. Erstmals erwähnt wurde es 1299. Gegenwärtig verwandelt es sich in ein öffentlich zugängliches Kultur- und Gesellschaftsbad. Vorangetrieben wird dieses Projekt von der «Genossenschaft Liegenschaft Bad zum Raben», die das Thermalbad vor zwei Jahren erworben hat. Bereits seit 2018 steht es zur Zwischennutzung frei und seither finden dort mit grossem Erfolg kulturelle Veranstaltungen statt. Aktuell weckt die Ausstellung «Belebung heilender Orte» grosses Interesse. Sie präsentiert Möglichkeiten der Wiederbelebung historischer Heilbäder. Studierende aus dem In- und Ausland haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt und bieten in der Ausstellung spannende Einblicke in ihre Arbeiten. Inszeniert wurde das Ganze unter anderem von Sophia Berdelis, der Initiantin des Projekts «Promenades Lumières». Sie war für die Lichtgestaltung der Ausstellung verantwortlich und steuerte drei Lichtinstallationen bei. Beide Projekte – «Bad zum Raben» und «Promenades Lumières» – sind Teil der Regionale 2025. Diese Zusammenarbeit beweist: Die Regionale 2025 vernetzt Menschen und Ideen – und daraus entsteht Neues.
rabenbaden.ch
promenades-lumieres.ch
regionale2025.ch/projekte
Die Personen
Kathrin Doppler zählt zur Kerngruppe des Vereins «Bagno Popolare» aus Baden. Der Verein entstand 2012 und setzt sich für die Wiederentdeckung der öffentlichen Badekultur in Baden und Ennetbaden ein. Der Verein hat das Projekt «Bad zum Raben» initiiert und dazu die «Genossenschaft Liegenschaft Bad zum Raben» gegründet. Die Kuratorin wirkte entscheidend an der Ausstellung «Belebung heilender Orte» mit.
bagnopopolare.ch
Sophia Berdelis hatte die Idee zum Projekt «Promenades Lumières» und setzt es gegenwärtig um. Die Architektin und Künstlerin aus Zürich hat ein eigenes Büro für Lichtkultur und Lichtinszenierung. Sie berät Städte und Gemeinden bei Fragen rund um den Einsatz von Licht im urbanen und ländlichen Raum. Daneben arbeitet sie Lichtkonzepte für verschiedene Vorhaben und Projekte aus.
mehrsehen.ch